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2022/23 Spieltagebuch Texte

Spieltagebuch (32): Mit dem Schlimmsten rechnen, auf das Beste hoffen

Bevor ich wieder der Träumerei oder des Schönredens bezichtigt werde, weil für viele Experten der Abstieg schon läääängst – und spätestens nach dem 0:1 gegen – feststeht und sie (zumindest nach Niederlagen) der Meinung sind, dass wir ein Trainerteam haben, das genauso wenig Ahnung vom Fußball hat wie unsere Spieler in die 3. Liga passen.

Ja, auch ich glaube, dass durch die Niederlage unsere Chancen auf den Klassenerhalt dramatisch gesunken sind.

Aber: Ich war doch nicht 20 Jahre Fan, bin doch nicht bis in die sechste Liga gegangen und mit der Altstadt nach Hollfeld – zweimal! – gefahren, ich bin doch nicht in die 3. Liga aufgestiegen und bei den Siegen gegen Dortmund II, Ingolstadt, Osnabrück (!), Zwickau, Dresden (!!) und Meppen emotional so sehr eskaliert wie noch nie zuvor bei Fußballspielen, um dann sechs Spieltage vor Schluss die Hoffnung aufzugeben – wenn es doch trotzdem „nur“ vier Punkte sind und es noch genügend Szenarien gibt, in denen unsere Altstadt den Klassenerhalt schafft: Dortmund II kann noch aus der Bahn geraten, Duisburgs Sinkflug könnte anhalten (deren aktuell 36 Punkte können wir in jedem Fall noch überbieten), und nein, auch Halle ist mit seinen 35 Punkten noch nicht gerettet.

Ist das alles wahrscheinlich?

Eher nicht.

Ist es möglich?

Ja, definitiv. Unsere Mannschaft ist in dieser Saison schon oft genug zurückgekommen, wenn keiner mehr mit ihr gerechnet hat. Übrigens auch nach dem Hinspiel in Halle.

Bereite ich mich mental schon auf eine Rückkehr in die Regionalliga vor?

Um ehrlich zu sein, ja. Genauso wie ich mich übrigens am Samstagvormittag schon mal mit dem Gedanken an eine Niederlage angefreundet habe. Psychologisch tut man sich im Abstiegskampf mit der Devise „Mit dem Schlimmsten rechnen, auf das Beste hoffen“ als Fan (!) einen Gefallen. Wenn es etwas gibt, was ich in den vergangenen Wochen gelernt habe, dann das. Auch deshalb war der 2:1-Sieg in Dresden so emotional, weil ich eigentlich von einer Packung ausgegangen war. Und deshalb würde ein Klassenerhalt – im hypothetischen Fall – auch nie gekannte Jubelstürme auslösen.

Aber ich habe es schon oft genug geschrieben: Diese Saison, diese historischen[1]Da hat doch tatsächlich jemand im Forum geschrieben, diese Saison sei nicht historisch. Tatsächlich ist mir der Kollege mit seiner Argumentation zur Seite gesprungen und hat mir aus dem Herzen … Weiterlesen zehn Monate werde ich niemalsnie vergessen, ganz egal, wie und wo dieses Abenteuer endet.

Werde ich am Samstag ins Grünwalder fahren und die Auswärtsfahrt mit über 1.000 anderen Bayreuthern genießen?

Verdammt nochmal, ja!

So, und bevor ich den Blick nach vorne richte, nun kurz das Pflichtprogramm: die Bewältigung dieser bitterbösen 0:1-Niederlage gegen den Halleschen FC.

Update vom Sonntagmorgen, nachdem ich die Einleitung am Samstagabend geschrieben hatte: Die Niederlage tut gerade einen Tag später noch sauweh. Über den heutigen Tag liegt ein Schleier der Unzufriedenheit und Ungläubigkeit. Vielleicht werde ich nach der Saison mal eine Auflistung machen der Niederlagen, die am meisten wehgetan haben. Das Spiel gegen Halle ist auf jeden Fall ganz weit vorne dabei.

Das Spiel in aller Kürze

In der ersten Hälfte war Halle deutlich besser, das o:1 zur Pause war schmeichelhaft für uns. Bis auf wenige kurze Phasen – in einer davon hatte Ziereis die große Chance aufs 1:0 – haben wir irgendwie kein Bein auf den Boden bekommen. Wir leisteten uns einfach zu viele Fehler, unter anderem vor dem 0:1.

Nach dem Seitenwechsel ging es erst mal so weiter, doch ab der 60. Minute waren wir plötzlich voll drin und hatten dann auch unsere Chancen. Das Anrennen in den Schlussminuten wurde leider nicht belohnt.

Gedanken zum Spiel

Halle ist leider einfach besser in Form. Das muss man neidlos anerkennen. Man hat insbesondere in der ersten Hälfte gesehen, dass sie eine gefestigte Mannschaft haben, die durch ihre neun Spielen ohne Niederlage ordentlich Selbstvertrauen gesammelt hatte und die ab der ersten Minute mit Kopf und Beinen präsent und voll im Spiel war. Ich kann mich an keinen Fehler im Spiel der Hallenser erinnern, auch wenn sie fußballerisch keine Bäume ausgerissen haben. Sie haben einfach grundsolide gespielt, und das tun sie mittlerweile seit mehreren Wochen.

Mir hat das Flügelspiel gefehlt. Ich muss dem Eintrag von DanischDynamite im Forum beipflichten, wenn er sagt, dass die Taktik mit der Raute in Dresden funktioniert haben mag, wir gegen Halle aber anders hätten rangehen müssen. Aber im Nachhinein ist so was leicht daher gesagt. Denn: Gegen Meppen haben wir mit exakt derselben Aufstellung und Formation gespielt. Auch da war die erste Hälfte nicht unbedingt berauschend. Der Unterschied: Wir haben da das 1:0 gemacht. Die Chance war auch dieses Mal da (Ziereis). Macht es das besser? Nein. Aber es ist für mich eine Erklärung, warum unser Trainer wieder auf die Formation gesetzt hat. Auch wenn das die ganzen Experten nicht hören bzw. lesen wollen: Ich vermute, dass sich ein Pro-Lizenz-Inhaber etwas bei der Aufstellung gedacht hat. In Dresden und gegen Meppen hat das funktioniert, in Verl und gegen Halle leider nicht.

Wir hätten vermutlich noch ewig weiterspielen können, ein Tor hätten wir nicht erzielt. Ja ja, eine oft benutzte Floskel. Aber bis aus den Nollenberger-Abschluss an den Pfosten war auch in Halbzeit 2 nichts wirklich Gefährliches dabei, obwohl wir ab der 65. eigentlich am Drücker waren. Gefühlt 25 Flanken haben wir in den Strafraum geschlagen, gefährlich wurde keine einzige. So gehen wir zum ersten Mal im Jahr 2023 ohne eigenes Tor aus einem Heimspiel.[2]Dass uns der Platzverweis für Halle bei dem Spielstand nur bedingt in die Karten spielt, hatte ich mir schon direkt gedacht. In Überzahl bei 0:1 mit noch zehn Minuten – das führt nur dazu, … Weiterlesen

Ach ja, einen Handelfmeter hätten wir natürlich auch wieder bekommen können. Ich schreibe bewusst nicht „müssen“, denn wenn ich mich nicht irre, gibt es folgenden Passus im offiziellen Regelwerk: „Wenn sich ein Abwehrspieler im Strafraum stümperhaft den Ball an den eigenen Arm bolzt, dann liegt kein strafbares Handspiel vor, vor allem dann nicht, wenn sich die Schiedsrichterkommission dafür entschieden hat, der gegnerischen Mannschaft in dieser Spielzeit keinen einzigen verdammten Elfmeter zuzugestehen. Gezeichnet, Wolfgang Stark.“

Stimmungsbarometer

-6 (war +2 nach dem Verl-Spiel)

Man muss nichts schönreden, die Niederlage hat wehgetan und die Chancen auf den Klassenerhalt sind dramatisch gesunken – das habe ich oben ja schon deutlich ausgeführt. Dementsprechend rauscht auch mein Barometer in den klar negativen Bereich.

Aber: Den Glauben an die Mannschaft, an den Trainer und an den Klassenerhalt habe ich nicht verloren. Warum? Weil wir an so einem Punkt schon öfter in dieser Saison waren. Bislang haben unsere Jungs immer dann überrascht, wenn man am wenigsten damit gerechnet hat. Warum nicht auch dieses Mal? Das Auswärtsspiel bei Sechzig bietet doch eine wunderbare Möglichkeit, um wieder über sich hinauszuwachsen und die Liga zu schocken.


Du liest gerne auf Fußball-Festspiele?

Keine Sorge, ich werde hier weiter mal in regelmäßigen, mal in unregelmäßigen Abständen meine Gedanken zur Altstadt teilen. Aber es macht natürlich mehr Spaß, wenn ich mir davon vielleicht das eine oder andere Stadionbier finanzieren kann. ? Und vielleicht steigt dann ja auch meine Motivation, auch mal ein Interview oder Ähnliches hier zu verfassen.

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Und auch wenn es nicht so kommt: Diese Fahrt in die Landeshauptstadt, der volle Gästeblock, das wird ein einmaliges Erlebnis. Und meine schlimmste Befürchtung von vor der Saison, nämlich dass es bei unserem Gastspiel im Grünwalder um nichts mehr geht als um die Ehre (das Havelse-Szenario), ist nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil.

In diesem Sinne: Auf nach München!

Fußnoten

Fußnoten
1 Da hat doch tatsächlich jemand im Forum geschrieben, diese Saison sei nicht historisch. Tatsächlich ist mir der Kollege mit seiner Argumentation zur Seite gesprungen und hat mir aus dem Herzen gesprochen. Hier seine Antwort auf die Frage, was denn an der 3. Liga historisch sein soll:

Einfach alles. Wir spielen in modernsten Fußballstadien, teilweise vor 5-stelligen Zuschauerzahlen. Wir sind immer wieder (Live) im TV. Wir haben Flutlicht und Rasenheizung bekommen.
Sorry, aber mit dieser Frage hast du dich selbst disqualifiziert. Wenn du sowas nicht zu würdigen weißt.
Und die Stimmung auf dem Biest erst, Wahnsinn.
Und teils mit mehreren 100 Leuten auswärts. Mitfiebern, mitleiden, mitfeiern.
Was braucht es denn noch damit eine Saison für dich Historisch ist?

Danke, Kollege!

2 Dass uns der Platzverweis für Halle bei dem Spielstand nur bedingt in die Karten spielt, hatte ich mir schon direkt gedacht. In Überzahl bei 0:1 mit noch zehn Minuten – das führt nur dazu, dass sich der Gegner noch mehr einigelt.

Eine Antwort auf „Spieltagebuch (32): Mit dem Schlimmsten rechnen, auf das Beste hoffen“

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