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2022/23 Spieltagebuch

Spieltagebuch (23): Wahnsinn. Einfach Wahnsinn.

Fangen wir mal in der 75. Minute an. Wie wäre mein Gemütszustand wohl, wären wir mit jenem 0:2 aus dem Spieltag gegangen?[1]Oder einem 0:3, 0:4? Erschien mir alles realistischer als ein 3:2-Sieg.

Eine Niederlage beim VfL , der zuvor sieben Spiele hatte gewinnen können – damit musste man rechnen. Couragierter Auftritt, aber wieder mal durch eigene Fehler (Ball beim 0:1 nicht geklärt bekommen, Torwartfehler beim 0:2) und Unvermögen vor dem gegnerischen Tor (einige vergebene Chancen in der Schlussphase der ersten Hälfte) um die Punkte gebracht. Kein Beinbruch, aber halt leider auch kein Schritt nach vorne. Wir zeigen einmal mehr gegen ein Spitzenteam, dass wir eigentlich das Zeug hätten für diese dritte Liga, aber dass uns halt leider auch das berühmte letzte Quäntchen fehlt. Was soll’s, unsere Punkte müssen wir zu Hause holen gegen Zwickau, Oldenburg, Meppen. Aber die müssen wir halt wirklich holen, sonst wird’s richtig, richtig schwer.

Aber zum Glück für uns wurde das Spiel eben nicht nach 75, sondern nach 96 Minuten abgepfiffen. Und was dazwischen passierte, war …

WAAAAAHNSINNNNNN!

Zugegeben, das Spiel rankt nicht auf Platz 1 meiner Auswärtserlebnisse.[2]Ja, ich war tatsächlich im Stadion. Es waren die ersten Auswärtstore seit Schweinfurt, die ich live gesehen habe. Das ist – wahrscheinlich bis zum Ende meines Lebens – dieses unfassbare, unwahrscheinliche 1:0 in Illertissen, dass wir in doppelter Unterzahl geholt haben und am Ende die 3. Liga überhaupt erst möglich gemacht hat.

Aber ganz, ganz knapp dahinter kommt schon dieses 3:2 vom Samstag. An der Bremer Brücke, vor über 12.000 Zuschauern. Bei dem wir bis zur 75. Minute mit 0:2 zurücklagen. Und in der 93. Minute den Siegtreffer erzielt haben. Und Glück hatten, weil ein Handelfmeter gegen uns (!) nicht gepfiffen wurde.

Es hat einfach alles gepasst in Osnabrück. Und wir hatten ordentlich Spielglück.

Endlich.

Das Spiel in aller Kürze

Schon in der ersten Hälfte waren wir – zumindest gemessen an Chancen – besser, liegen aber nach einem Standard-Gegentor mit 0:1 zurück. Ein weiterer Standard führt zum 0:2, und danach habe ich schon jede Hoffnung aufgegeben. Doch unsere Jungs geben nicht auf, kämpfen sich zurück in die Partie und drehen das Spiel in bravouröser Manier. Großer Kompliment an Tommy Kleine und die Mannschaft!

Das Ergebnis war insgesamt eigentlich gar nicht mal so unverdient. Klar, Osnabrück hatte schon noch ein paar Dinger, speziell zum 3:0 (Heider, Außenpfosten) oder zum 3:2 (Heider, Latte), aber schon in der ersten Hälfte hatten wir ein Chancenplus und auch nach dem 0:2 haben wir munter weitergespielt und uns am Ende dann auch endlich mal für den Aufwand belohnt.[3]Ob ich bei einem 0:4, das ich nach 60 Minuten durchaus für möglich gehalten hätte, auch so positiv über unsere Leistung geschrieben hätte? Ich denke fast schon. Man darf halt nicht vergessen, … Weiterlesen So was nennt man wohl „glücklich, aber nicht unverdient“.

Unsere Leistung war – vor allem, wenn man bedenkt, dass wir gegen eines der Top-Teams der Liga gespielt haben – überragend. Standards müssen wir besser verteidigen, das ist klar, aber aus dem Spiel heraus haben wir für enorm viel Gefahr gesorgt und heute eben auch mal drei Tore gemacht.

Der Schiedsrichter war uns heute endlich – ENDLICH – mal wohlgesonnen. Nach dem Ausgleich springt Cemal der Ball an den Arm, wofür wir, wenn alles normal läuft, wohl einen Elfmeter gegen uns bekommen. Aber „im Sinne des Fußballsports“ war das die absolut korrekte Entscheidung. Danke, Lars Erbst![4]So, jetzt nur noch zehn Fehlentscheidungen gutzumachen!

Spielentscheidend war, dass unsere Jungs bis zum Schluss nicht aufgesteckt und weiter munter nach vorne gespielt haben. Offensiv war das wieder ein super Auftritt – und klammert man das unglückliche Abwehrverhalten bei den beiden Gegentoren aus, auch defensiv.

Gefehlt hat nix. Bin beseelt.

Gut war, dass … muss ich das wirklich noch in Worte fassen?[5]Wir haben ein 0:2 aufgeholt. 3:2 gewonnen. Beim Team der Stunde. Drei Punkte geholt, die wir definitiv nicht eingeplant hatten. Nach Monaten mal wieder auswärts gewonnen. Die Abstiegsränge … Weiterlesen

Gedanken zum Spiel

Eroll Zejnullahu Fußballgott! Wie Eroll den Ball streichelt und nach vorne trägt, imponiert mir schon seit dem ersten Tag, an dem er sich das Altstadt-Trikot übergestreift hat. Aber in Osnabrück hat er auch endlich mal selbst getroffen.[6]Dieses 2:2 war sinnbidlich für seine, für unsere Situation: aus dem Nichts abgezogen, Innenpfosten, Innenpfosten, Tor. Keiner rechnet mit uns, wir haben einmal Pech, zweimal Pech – und dann … Weiterlesen

Ernsthaft: Eroll ist für mich der beste Fußballer in unserem Team. Und ich bin so froh, dass er jetzt endlich mal getroffen hat. Überflüssig zu erwähnen, dass er das 3:2 unfassbar genial vorbereitet hat: Ich hatte schon gedacht (wie wahrscheinlich jeder Osnabrücker), dass er an der Eckfahne die Zeit runternehmen will, ehe er noch mal beherzt in Richtung Tor dribbelt und dann ablegt auf …

Diawusie! Was für eine Verpflichtung! Der Typ passt einfach perfekt in unsere Mannschaft und unser Spiel. Das Interview nach dem Spiel war herrlich bodenständig. Ich glaube, dass wir an ihm noch viel Freude haben werden. In den knapp 90 Minuten, die er jetzt auf dem Platz gestanden war, hat er schon unter Beweis gestellt, dass er am Ende der X-Faktor sein kann. Und die zwei Punkte, die er uns mit seinem Tor gesichert hat, werden am Ende eh Gold wert sein.

Wir haben im neuen Jahr neun Tore in sechs Spielen geschossen. Eigentlich Wahnsin: drei Tore gegen Dortmund, eins gegen Ingolstadt, zwei gegen Wiesbaden – und jetzt drei in Osnabrück. Zum dritten Mal in diesen sechs Partien gelingt uns das, was wir vor der Winterpause nicht ein einziges Mal geschafft hatten: ein zweites Tor! Und es ist wahrlich nicht so, als wären diese Tore aus dem heiteren Himmel gefallen. Wir haben uns jedes einzelne dieser Tore hart erarbeitet und verdient.

Wir haben in den sechs Spielen seit der Winterpause genauso viele Siege geholt wie in den 17 Spielen davor. Von den Teams aus der unteren Tabellenhälfte kann nur Aue drei Siege vorweisen. Ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster mit der Aussage: Von den Teams im Abstiegskampf sind wir mit am besten in Form. Und wir hatten wahrlich nicht die einfachsten Gegner.

Stimmungsbarometer

+7 (+1 nach Wiesbaden)

Dieses Spiel hatte so vieles.

(1) Wieder mal eine gute, sogar sehr gute Leistung gegen ein Top-Team in der Liga. Ein Spiel, das zeigt, dass wir nicht zufällig in dieser Liga spielen.

(2) Wieder (!) eine tolle Leistung in der Offensive, wobei wir uns dieses Mal mit drei Toren belohnt haben.[7]Die erste Hälfte gegen Wiesbaden war offensiv gesehen das Beste, was wir in dieser Saison gespielt haben. Und daran hat die Mannschaft angeknüpft.

(3) Ein unfassbar emotionaler, weil unwahrscheinlicher Auswärtssieg. Unglaublich.[8]Während eines Spiels male ich mir für gewöhnlich verschiedene Szenarien aus. Heute in der 70. Minute: Wir könnten das Spiel 0:4 verlieren. Wir könnten aber auch … ne, passiert eh nicht. … Weiterlesen

(4) Drei Punkte, die wirklich keiner auf der Rechnung hatte, die wir uns aber redlich verdient haben und dank derer wir (zumindest bis Montagabend) über dem Strich stehen – zum ersten Mal seit dem vierten Spieltag.

(5) Spielglück. SPIELGLÜCK! Dass ich das mal nach einem Altstadt-Spiel in der 3. Liga schreiben kann, sagt eigentlich schon alles. Zweimal Aluminium für den Gegner, Handelfmeter gegen uns nicht gepfiffen, Ausgleichstor nach doppeltem Innennpfosten. Wenn man nicht jetzt Hoffnung schöpfen will, wann dann?

Und jetzt? Kommt Zwickau. Ein Gegner mit neuem Trainer, der unter Zugzwang steht und Punkte holen muss. Wir haben in dieser Saison mit Ausnahme der 1:1 in Duisburg nach Siegen immer enttäuscht. Aber: Wenn wir dieses Spiel gegen Zwickau gewinnen, dann …

Egal, jetzt freue ich mich erstmal auf den nächsten Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Denn an diesen Tagen werde ich mir (mindestens) einmal den Spielbericht zum Osnabrück-Spiel durchlesen, deren Forum durchforsten, die Zusammenfassung ansehen, vielleicht sogar die letzten 20 Minuten des Spiels nochmal komplett anschauen, nachfühlen, genießen.[9]Und versuchen, mich nochmal in diesen emotionalen Ausnahmezustand in dieser 93. Minute zu versetzen, was ohne bewusstseinserweiternde Mittel aber nicht möglich ist.

Wir haben in Osnabrück gewonnen! Wir werden die Liga halten! Oldschdod!

Fußnoten

Fußnoten
1 Oder einem 0:3, 0:4? Erschien mir alles realistischer als ein 3:2-Sieg.
2 Ja, ich war tatsächlich im Stadion. Es waren die ersten Auswärtstore seit Schweinfurt, die ich live gesehen habe.
3 Ob ich bei einem 0:4, das ich nach 60 Minuten durchaus für möglich gehalten hätte, auch so positiv über unsere Leistung geschrieben hätte? Ich denke fast schon. Man darf halt nicht vergessen, dass wir bei einem Gegner gespielt haben, der zuvor sieben (!) Spiele hintereinander gewonnen hat. Und dann gegen uns verliert. Wahnsinn. So weit ich mich zurückerinnere, waren wir meistens auf der anderen Seite bei solchen Niederlagen der Marke „peinlich“.
4 So, jetzt nur noch zehn Fehlentscheidungen gutzumachen!
5 Wir haben ein 0:2 aufgeholt. 3:2 gewonnen. Beim Team der Stunde. Drei Punkte geholt, die wir definitiv nicht eingeplant hatten. Nach Monaten mal wieder auswärts gewonnen. Die Abstiegsränge verlassen – zumindest bis Montag. Gezeigt, dass wir in diese Liga gehören, verdammt nochmal!
6 Dieses 2:2 war sinnbidlich für seine, für unsere Situation: aus dem Nichts abgezogen, Innenpfosten, Innenpfosten, Tor. Keiner rechnet mit uns, wir haben einmal Pech, zweimal Pech – und dann geht er trotzdem rein. So wird’s bei uns auch laufen: Keiner hat uns auf der Rechnung, wir scheitern einmal, wir scheitern zweimal – und am Ende werden wir die Liga halten!
7 Die erste Hälfte gegen Wiesbaden war offensiv gesehen das Beste, was wir in dieser Saison gespielt haben. Und daran hat die Mannschaft angeknüpft.
8 Während eines Spiels male ich mir für gewöhnlich verschiedene Szenarien aus. Heute in der 70. Minute: Wir könnten das Spiel 0:4 verlieren. Wir könnten aber auch … ne, passiert eh nicht. Und dann gewinnen wir tatsächlich ?
9 Und versuchen, mich nochmal in diesen emotionalen Ausnahmezustand in dieser 93. Minute zu versetzen, was ohne bewusstseinserweiternde Mittel aber nicht möglich ist.

Eine Antwort auf „Spieltagebuch (23): Wahnsinn. Einfach Wahnsinn.“

Ich hoffe ja, dass das Spielglück nicht jetzt schon denkt es ist aufgebraucht. Das war jetzt nur ein Bruchteil von dem, was wir vor Weihnachten an Pech hatten.

Übrigens nach Augenzeugenberichten war dein zweitschönster Auswärtssieg vor ungefähr der 60fachen Zuschauermenge wie der schönste. Nie mehr Regionalliga!

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