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Lesetipp: „Wir werden ewig leben“ oder was Union Berlin mit der Altstadt zu tun hat

Ich habe die fußballfreie Zeit genutzt, um mir das Buch Wir werden ewig leben – Mein unglaubliches Jahr mit dem 1. FC Union Berlin von Christoph Biermann als Hörbuch anzuhören. Wie sich herausstellen sollte, war das die perfekte Vorbereitung auf unsere erste Profi-Saison seit 32 Jahren.

Über das Buch

Ein paar Sätze zum Autor und der Geschichte hinter dem Buch: Christoph Biermann ist Sportjournalist und bekannt für fachkundige, pointierte Texte etwa in der SZ oder bei 11 Freunde. Er wohnt in Berlin und kam 2019 auf die Idee, den gerade aufgestiegenen FC Union ein Jahr lang zu begleiten. Für die gesamte Saison saß er also mit dem Trainerteam um Urs Fischer in der Kabine, plauderte mit den Spielern, diskutierte mit Präsident Dirk Zingler und beschäftigte sich mit den Werten des Klubs. Kurzum: Er bekam fast alle Abläufe mit – und schrieb über diese Erfahrungen ein Buch.

Man kennt ja mittlerweile die Dokumentationen auf Prime oder Netflix über Sunderland, Leeds oder ManCity, aber auch über den BVB oder sogar Viktoria Köln. Biermanns Buch hat mir aber, denke ich zumindest, nochmal einen deutlich neutraleren Blick auf das Geschehen hinter den Kulissen gegeben und mir einige spannende Einblicke in taktische Überlegungen, Trainingssteuerung und den Mannschaftsgeist bei einem Profiverein gegeben. Damit will ich euch aber nicht langweilen.

Was ich besonders spannend fand, war die Entwicklung, die Union Berlin in diesem Jahr gemacht hat. Denn irgendwie finde ich die Voraussetzungen vergleichbar mit der Altstadt nach dem Aufstieg in die 3. Liga.[1]Und ich will jetzt nicht in diese Leier kommen, dass die Altstadt wie Union ist – denn das sagen vermutlich alle Vereine in Deutschland, die sich Buchbach-mäßig eigenmächtig zum Kultklub … Weiterlesen Der Verein war gerade in eine neue Dimension vorgestoßen – für Union war es der erste Aufstieg in die Bundesliga – und musste viele Dinge neu aushandeln, alles war irgendwie neu. Und das bei einem Verein, den Biermann als eine „Vereinigung von Eigensinnigen“ bezeichnet.[2]Vor allem in den Gesprächen mit Dirk Zingler kam dieses Reflektieren darüber, welcher Klub man denn eigentlich ist, immer wieder raus. Und das ist eben das Spannende an Union: Der Verein ist … Weiterlesen

Zwei Themen sind mir als Altstadt-Fan besonders hängengeblieben: die Entwicklung der Fankultur und die Ziele, die sich Trainer Urs Fischer mit seiner Mannschaft gesetzt hat.

Unions Fankultur

Fangen wir an mit den Fans, die den Verein zu dem machen, was er ist. Das ist auch bei uns irgendwie so. Was wäre die Altstadt, hätte sich beispielsweise nicht diese Ansammlung bossidiv Beglobbder im Altstadt-Kult gebildet – die das erste Fan-Museum überhaupt in Deutschland gründete, in dem auch schon so mancher Neuzugang in Ermangelung anderer Schlafplätze nächtigte; die mit vielen verrückten Aktionen den Verein überhaupt am Leben hielten; und die überhaupt einen großen Anteil daran trugen, dass der Verein nicht in der Versenkung verschwunden ist.[3]Wie gesagt, bei Union ist alles eine, zwei oder drei Spuren größer. Statt „nur“ eines Fan-Museums bauten die Fans das Stadion mit aus, in dem das alljährliche, von Fans organisierte … Weiterlesen

Was definitiv vergleichbar in Berlin und Bayreuth ist, ist die Einstellung des überwiegenden Teils der Anhängerschaft, dass man die Mannschaft immer positiv begleitet – gerade in schwierigen Zeiten. Union hat dafür sogar ein eigenes Regelwerk: die Boone’schen Regeln.[4]Einen Artikel zu den Boone’schen findet ihr hier[5]Die Regeln hat Daniel Blauschmidt, genannt „Boone“, entwickelt. Hier gibt es ein Porträt zu ihm.

Die Regeln lauten:

  1. Mache nie einen Spieler zum Sündenbock
  2. Pfeife nie die Mannschaft aus
  3. Verlasse nicht vor dem Schlusspfiff das Stadion
  4. Heiserkeit ist der Muskelkater des Unioners

Die könnten auch aus Bayreuth stammen. Natürlich alles eine Dimension kleiner. Aber gerade die positive Fankultur ist etwas, was unsere Szene seit Jahren auszeichnet. Positiv gegenüber unseren Gästen (zumindest den mitreisenden Fans), positiv gegenüber der sportlichen Leitung (wobei Kritik natürlich erlaubt ist) und vor allem natürlich positiv gegenüber der Mannschaft. Ich kann mich nur an ganz wenige Situationen erinnern, in denen es Pfiffe gab – und das, obwohl wir auch schon viele, sagen wir: schwierige Momente mitmachen mussten.[6]Mir fallen schon ein paar Satelliten ein, die nicht mehr an sich halten können, wenn das Geschehen auf dem Rasen so richtig schlecht ist. Aber die werden von Umstehenden dann auch mal zurecht … Weiterlesen

Daran gilt es festzuhalten, gerade nach dem Aufstieg, wenn neue Fans auf das Biest kommen. Vor 500 Zuschauern werden wir so schnell nicht mehr spielen. Aber die 500, die vor zwei oder drei Jahren schon da waren, sollten diese Einstellung an die vielen neuen weitergeben, die jetzt kommen.

Die sportliche Entwicklung

Ebenfalls spannend fand ich die Herangehensweise des Trainerteams an die Saison. Union hatte mit die geringsten Mittel in der Liga zur Verfügung und ging als einer der Hauptkandidaten auf die Abstiegsplätze in die Saison.

Das waren die Eckpunkte, die Urs Fischer der Mannschaft für die Saison mitgegeben hat:

40+ Punkte
Stimmung in der Kabine
Überzeugung zu gewinnen
Freude und Spaß
Von Spiel zu Spiel denken
Trainingsniveau hochhalten
Saisonstart

Auch davon kann man sich viel mitnehmen. Auch für uns geht es um nichts anderes als den Klassenerhalt. Freude und Spaß, gute Stimmung und gerade die Überzeugung, zu gewinnen, waren Attribute, die uns in der vergangenen Saison auch getragen haben und die wir in die neue Spielzeit mitnehmen müssen.

Union hat es in der Saison 2019/20 geschafft. Wir hoffentlich auch!

Fußnoten

Fußnoten
1 Und ich will jetzt nicht in diese Leier kommen, dass die Altstadt wie Union ist – denn das sagen vermutlich alle Vereine in Deutschland, die sich Buchbach-mäßig eigenmächtig zum Kultklub erklären.
2 Vor allem in den Gesprächen mit Dirk Zingler kam dieses Reflektieren darüber, welcher Klub man denn eigentlich ist, immer wieder raus. Und das ist eben das Spannende an Union: Der Verein ist bewusst anders, stellt das Stadionerlebnis in den Mittelpunkt und wehrt sich dagegen, dass die Kommerzialisierung überhand nimmt – auch wenn man sie nicht immer verhindern kann. Darum geht’s mir aber gar nicht, deshalb nur als Fußnote.
3 Wie gesagt, bei Union ist alles eine, zwei oder drei Spuren größer. Statt „nur“ eines Fan-Museums bauten die Fans das Stadion mit aus, in dem das alljährliche, von Fans organisierte Weihnachtssingen das Prädikat „positiv bekloppt“ mehr als verdient hat.
4 Einen Artikel zu den Boone’schen findet ihr hier
5 Die Regeln hat Daniel Blauschmidt, genannt „Boone“, entwickelt. Hier gibt es ein Porträt zu ihm.
6 Mir fallen schon ein paar Satelliten ein, die nicht mehr an sich halten können, wenn das Geschehen auf dem Rasen so richtig schlecht ist. Aber die werden von Umstehenden dann auch mal zurecht gewiesen.