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2022/23 Spieltagebuch Texte

Spieltagebuch (29): Opa, wie war das damals in Dresden?

Zurück aus . Was für ein Spiel, was für ein Tag.

Für die kommenden Zeilen möchte ich solche Banalitäten wie den erbitterten Kampf um den Klassenerhalt in der 3. Liga oder das anstehende Sechs-Punkte-Spiel gegen Meppen (unter Flutlicht!) ausblenden.

Ich will einfach nur zurückblicken auf diese 90 Minuten im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Die vielleicht 90 schönsten Minuten meines Fan-Daseins. Alles andere, was davor war, was noch kommt, ist egal.

Vorneweg ein paar Punkte zur Einordnung dieses historischen Tags.

In der einhundertundzweijährigen Geschichte unseres Vereins gab es kein einziges Spiel mit mehr Zuschauern, in dem der Gegner nicht 1. FC Nürnberg hieß. Die genau 25.527 Zuschauer bedeuten Platz 6 in der ewigen Tabelle.[1]Auf den Plätzen 1 bis 5 liegen laut Motorhorsts überragender Statistik die Club-Auswärtsspiele der Jahre 1973, 1974, 1975, 1978 und 1979. Es war das bestbesuchte Spiel mit Altstadt-Beteiligung seit 44 Jahren. Wow.

Mindestens genauso lang dürfte es her sein, dass die Altstadt als ein so krasser Außenseiter in ein Spiel gegangen ist. Wir mit vier Niederlagen im Gepäck, Dynamo seit zwölf Partien ohne Niederlage. Wir Tabellen-18., Dynamo Dritter. Wir mit einem Etat von vermutlich knapp 4 Millionen Euro, Dynamo mit dem X-fachen. Und natürlich_ Wir mit 400 wackeren Fans, Dynamo mit über 25.000 im Rücken.

Und dann gewinnen wir das Spiel in Dresden mit 2:1. Alleine diese Buchstaben in die Tastatur zu hacken, verschafft mir schon wieder eine Gänsehaut.

Ich stelle mal eine steile These auf: Das war das größte Auswärtsspiel der Vereinsgeschichte, wenn man all diese Aspekte einberechnet:

  1. Krasser Außenseiter – und trotzdem gewonnen
  2. Zuschauerzahl, Atmosphäre und mediale Aufmerksamkeit
  3. Dramatik während der 90 Minuten
  4. Sportliche Bedeutung der drei Punkte

Beim Blick in die Geschichtsbücher gibt es vermutlich nur ein Spiel, das auf einer ähnlichen Stufe steht: das 2:1 in Nürnberg aus dem Jahr 1973, bei dem Kaul und Größler das Spiel vor 27.000 Zuschauern in den Schlussminuten drehten.[2]Das Spiel war auch von der Bedeutung auch riesig, schließlich kam man durch den Sieg auf den zweiten Platz der Regionalliga – am Ende wurde man Vierter. Und bis Freitag war ich neidisch auf jeden, der 1973 schon alt genug war, um die Altstadt nach Nürnberg zu begleiten. Das muss ich jetzt nicht mehr sein.

Ich war nämlich in Dresden dabei. Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn ich im Jahr 2063 meinen Enkelkindern von jenem 25. März erzähle, an dem wir 25.000 Dresdner zum Schweigen brachten.

Ach ja: Nicht weit hinter diesen beiden Spielen rangiert das 3:2 in Osnabrück vor fünf Wochen, das ich auch live erleben durfte. Eigentlich unfassbar: Osnabrück und Dresden sind (neben Freiburg II) die beiden stärksten Teams nach der Winterpause, haben beide nur eine Partie verloren – und beide gegen uns.

Wenn das nicht Mut macht für die kommenden Wochen!

Das Spiel in aller Kürze

Vor dem Spiel, aber auch nach fünf Minuten rechnete ich mit allem, aber nicht mit einem Sieg. Nach zwei Minuten scherzte ich: Nur noch 45-mal so lange, dann haben wir ein 0:0. Dynamo hat in der Anfangsphase aber auch ordentlich Alarm gemacht, vor allem über den quirligen – aber im Abschluss zum Glück sehr harmlosen – Conteh. Nach und nach befreiten sich unsere Jungs aber, und die Pausenführung war natürlich glücklich, stellte den Spielverlauf aber auch nicht auf den Kopf. Die Vorstöße, vor allem über den endlich mal wieder nicht glücklos agierenden Nollenberger, waren einfach immer wieder gefährlich.

Und Nolle krönte seine Leistung durch das 2:0. Eine Erlösung! Der SGD fiel in Halbzeit zwei nichts ein, bis kurz vor Schluss dann doch einer durch- und reinrutschte – 1:2, und das große Zittern begann. Das gehörte dann aber eben auch zu diesen packenden, dramatischen 90 Minuten: Dynamo vergab drei Top-Chancen und der Schlusspfiff nach 97 Minuten war dann eine echte Endorphinbombe.

Ich krieg schon wieder eine Gänsehaut.

Gedanken zum Spiel

Das war ein 90 Minuten andauernder Traum. Wie sagte Matze Lorenz mir nach dem Spiel: „Wir haben schon vor dem Anpfiff gewonnen.“ Warum? „Weil wir in Dresden spielen.“[3]Für mich, der drei Jahre lang in Dresden studiert hat und dabei immer wieder vor sich hinträumte, wie es wohl wäre, wenn die Altstadt mal dort spielen würde, war es natürlich nochmal was ganz … Weiterlesen Recht hat er. Und das Spiel selbst war die Krönung: Es war anders als in Osnabrück dieses Mal kein Spiel, in dem sich die Ekstase auf die letzten 15 Minuten beschränkte. Nein, dieses Mal war es von Anfang bis Ende einfach Wahnsinn. Die Anspannung und Freude wuchsen von Minute von Minute linear an, um mit dem Schlusspfiff zu explodieren. 2:1 in Dresden. Wahnsinn.[4]Ich wiederhole mich. Aber das war das größte Spiel, das ich bislang gesehen habe.

Deswegen gehen wir doch zum Fußball, zweiter Teil. Vergangene Woche philosophierte ich nach dem desillusionierenden 1:2 gegen Oldenburg noch, dass solche niederschmetternden Niederlagen doch irgendwie den Reiz am Fan-Dasein ausmachen, denn umso glücklicher macht einen dann ein Erfolgserlebnis, das man so überhaupt nicht erwartet hätte. In anderen Worten: Ich wäre heute, am Sonntagabend, sicherlich nicht so euphorisch, hätten wir gegen Oldenburg in der Schlussminute getroffen, um dann in Dresden den Hintern versohlt zu bekommen (während Oldenburg Köln schlägt). Da ist mir lieber: Wir verlieren knapp gegen Oldenburg, gewinnen dann in Dresden und ziehen damit wieder an Oldenburg vorbei. Gut gemacht, Jungs!

Und wenn wir am Ende absteigen … dann kann mir trotzdem keiner den 2:1-Auswärtssieg vor über 25.000 Zuschauern in Dresden nehmen!

Stimmungsbarometer

+5 (war -5 nach Oldenburg)

Letzte Woche gefühlt abgestiegen, jetzt träume ich wieder davon, dass das nicht das letzte Gastspiel in Dresden war. Wir sind zwar nicht über dem Strich, aber haben eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein getankt. Dieser Sieg war ein Ausrufezeichen, genau wie es vor wenigen Wochen das 3:2 in Osnabrück war. Danach haben wir gegen Zwickau nachgelegt – was wir jetzt gegen Meppen natürlich auch tun sollten. Die nächsten Wochen – nach Meppen geht’s nach Verl, dann gegen Halle und dann zu den taumelnden Löwen – bieten die Chance, ganz, ganz wichtige Schritte in Richtung Klassenerhalt zu machen. Vier Spiele müssen wir mindestens noch gewinnen. Warum nicht einfach die nächsten vier? Nach Samstag halte ich alles für möglich.

Genauso natürlich auch im negativen Sinne. Man stelle sich nur vor, wir hätten diese drei völlig unerwarteten Punkte in Dresden nicht geholt – wir wären Vorletzter mit drei Punkten Rückstand auf Halle und fünf auf Dortmund, noch dazu mit dem deutlich schlechteren Torverhältnis.

Aber so ist es nicht gekommen. Weil wir eine Mannschaft haben, die lebt. Die kämpft. Die Fußball spielen kann. Und jeden Gegner in dieser 3. Liga schlagen kann.

Macht am Freitag einfach so weiter!

Fußnoten

Fußnoten
1 Auf den Plätzen 1 bis 5 liegen laut Motorhorsts überragender Statistik die Club-Auswärtsspiele der Jahre 1973, 1974, 1975, 1978 und 1979.
2 Das Spiel war auch von der Bedeutung auch riesig, schließlich kam man durch den Sieg auf den zweiten Platz der Regionalliga – am Ende wurde man Vierter.
3 Für mich, der drei Jahre lang in Dresden studiert hat und dabei immer wieder vor sich hinträumte, wie es wohl wäre, wenn die Altstadt mal dort spielen würde, war es natürlich nochmal was ganz Besonderes.
4 Ich wiederhole mich. Aber das war das größte Spiel, das ich bislang gesehen habe.

Eine Antwort auf „Spieltagebuch (29): Opa, wie war das damals in Dresden?“

Diesmal habe ich Dich aber nicht (im gelb-schwarzen Trikot) im nochmal besseren VIP-Bereich als in Osnabrück gesehen, Peter.
Auch die hatten sich im Menü dort wieder total auf uns Gäste eingestellt mit:
# Bayreuther Pfannkuchensuppe (wußte gar, daß es die bei uns gibt?)
# Schweinebraten mit (leider nur) Semmelknödel & Krautsalat in Kulmbacher(Sic!) Dunkelbiersoße
# Bayerisch Creme mit Blaubeeren
Mein pers. Highlight an diesem grandiosen Tag war, dass ich Nolles 2:0 zunächst live (noch am VIP-Ausgang zu den Plätzen) und gleich danach mit echter Zeitverzögerung (ca. 5 sec!) nochmal am Bildschirm im VIP-Bereich sehen konnte – weil der Ordner mich mit meiner Bayerisch Creme in der Hand wieder zurückschickte… 🙂

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